Macht uns Sport schlau?

Sollten wir künftig vielleicht lieber joggen gehen, statt eine zweite Runde für unsere Prüfung zu lernen? Geübte Prokrastinierer*innen werden jetzt begeistert nicken und sich gleich mal Sportsachen bestellen. Schwarb und Kolleg*innen (2017) haben genau das untersucht, was uns allen eine dauerhafte Ausrede für eine Lernpause verschaffen könnte: Wirkt sich Fitness positiv auf die Gedächtnisleistung aus? Und wenn ja: Macht es einen Unterschied, ob man viel Sport macht oder reicht nicht vielleicht auch das stündliche Laufen zum Kühlschrank? Diese Fragen und die Antworten darauf könnten nicht nur für unmotivierte Lernende interessant sein, sondern im Idealfall uns alle motivieren, unseren Alltag aktiver zu gestalten und somit einen Beitrag leisten, damit wir uns lange daran erinnern können, als wir uns in der fünften Klasse mal bei der Erdkundeabfrage blamiert haben. Erlebnis frei erfunden.

Regelmäßige Bewegung wurde schon länger in Zusammenhang mit besseren Leistungen bei der Testung des Gedächtnisses und exekutiven Funktionen gebracht (Etnier et al., 2006; Hillman et al., 2008). Exekutive Funktionen sind kognitive (den Verstand betreffende) Funktionen, die dafür sorgen, dass wir unser Verhalten selbst kontrollieren und regulieren können. Beispiele dafür sind Pläne machen oder das Entscheidungen treffen (Roth et al., 2015). Sportinterventionen fördern kognitive Funktionen (Colcombe & Kramer, 2003; Kramer et al., 2003). Eine Wirkung von Ausdauersport auf kognitive Funktionen scheint zumindest teilweise durch ein größeres Hippocampusvolumen (Chaddock et al., 2010; Erickson et al., 2009; Erickson et al., 2011), eine bessere Gesundheit der weißen Substanz [1] (Burzynska et al., 2014; Chaddock-Heyman et al., 2014), eine allgemein bessere Hirndurchblutung (Alfini et al., 2016; Chaddock-Heyman et al., 2016) und eine bessere Aktivierung relevanter Gehirnregionen in der fMRT (Colcombe et al., 2004), ausgedrückt zu werden. Mithilfe der fMRT können aktivierte Areale im Gehirn bildlich dargestellt werden (Böttcher et al., 2017). In Versuchen mit Mäusen förderte Ausdauersport außerdem die Bildung von Nervenzellen im Hippocampus (Clark et al., 2011; Pereira et al., 2007), die synaptische Plastizität, also die Veränderung von Neuronen in Abhängigkeit der Nutzung des Hirnareals (van Praag, 2008; Voss et al., 2013), und die Gedächtnisfunktion (van Praag, 2008).


Es gibt bereits reichlich Forschung bei älteren Menschen, die Probleme haben, sich etwas merken zu können und vielleicht auch schon erste Anzeichen einer Erkrankung zeigen (Kim et al., 2020; Smith et al., 2011). Positive Effekte von Sport und Bewegung konnten daher vor allem in Studien mit älteren Erwachsenen aber auch mit Kindern (Li et al., 2020) nachgewiesen werden. In diesen Entwicklungsphasen findet die meiste Veränderung statt (Voss et al., 2011). Bei Kindern (Chaddock et al., 2010) und älteren Erwachsenen (Erickson et al., 2009) geht eine bessere aerobe Fitness mit einem größeren Hippocampusvolumen einher. Dieser Zusammenhang konnte bei jungen gesunden Erwachsenen nur selten gefunden werden (Hillman et al., 2008). Im Jahr 2016 fanden Schwarb et al. in einer ähnlichen Studie jedoch, dass bei gesunden jungen Erwachsenen die Viskoelastizität (siehe Infokasten) des Hippocampus stark mit der Leistung des relationalen Gedächtnisses korrelierte. Das spricht dafür, dass Gedächtnisunterschiede bei jungen Erwachsenen nicht mit dem Hippocampusvolumen erfasst werden sollten und deshalb eher die Viskoelastizität des Gehirngewebes.

Die Forscher*innen der Studie gehen deshalb davon aus, dass die hippocampale Viskoelastizität die funktionelle Gesundheit bei normalem Gewebe besser widerspiegelt als das reine Hippocampusvolumen.

Daher wurde in dieser Studie untersucht, ob Ausdauersport, hippocampale Viskoelastizität und Gedächtnisleistung zusammenhängen und ob die Beziehung zwischen Ausdauersport und Gedächtnisleistung durch die hippocampale Viskoelastizität vermittelt wird.

Infokasten MRE - Magnetresonanz-Elastographie

Die Magnetresonanz-Elastographie ist bisher die einzige Methode zur nicht-invasiven Darstellung der Gewebekonsistenz im Rahmen der MR-Bildgebung.

Warum ist das Wissen über die Gewebekonsistenz interessant? 

Bei verschiedenen Krankheiten, wie z. B. Krebs, Entzündungen, Alzheimer, Multiple Sklerose verändern sich die Gewebeeigenschaften. Verhärtungen oder Erweichungen in oberflächlichen Gewebeschichten können oft durch eine manuelle Abtastung seitens der erkrankten Person selbst, oder von einem Mediziner durchgeführt und erkannt werden. Bei dieser sogenannten Palpation existieren jedoch Einschränkungen, welche eine Diagnose erschweren. Sie hängt von der Erfahrung und Know-how des Mediziners ab und ist somit eine subjektive Einschätzung des Ausprägungsgrades der krankhaften Gewebeveränderung. Zudem kann die Palpation nur an oberflächlichen Gewebeschichten durchgeführt werden, denn tiefer liegende Gewebeveränderungen sind oft nicht mehr direkt von Hand spürbar und somit für diese Art Diagnose nicht mehr erfassbar.

Die Magnetresonanz-Elastographie bietet eine technische Herangehensweise, um objektive Aussagen über Veränderungen mechanischer Gewebeeigenschaften treffen zu können.  Forschungen über die MRE-Anwendungen bei verschiedenen Organen sind unterschiedlich weit vorangeschritten. So befinden sich viele Bereiche noch im Entwicklungsstadium, wohingegen die Anwendungen der MRE bei manchen Organen bereits weiter fortgeschritten sind. Am fundiertesten ist die Anwendung der MRE zur Untersuchung an einer erkrankten Leber.

Funktionsweise der MRE 

Die Magnetresonanz-Elastographie setzt sich zusammen aus einem MR-Scanner und zusätzlich einem Anregungsgerät, dem Aktuator, welches eine mechanische Belastung auf die zu untersuchende Körperregion ausübt. Der Aktuator wird so gesteuert, dass eine gezielte Be- und Entlastung des entsprechenden Gewebes erreicht wird, wodurch Verschiebungen innerhalb des Gewebes entstehen. Es gibt verschiedene Ansätze, wie man Verschiebungen innerhalb des Gewebes auslösen kann, z.B. durch akustische Schallwellen oder durch elektromechanische Anregung (Klatt, 2010). Die dadurch entstehenden Gewebeverschiebungen werden mithilfe von bewegungskodierenden MR-Sequenzen des MR-Scanners gemessen. Das entstehende MR-Bild zeigt 3 Verschiebungsinformationen. Durch Anwendung spezieller mathematischer Algorithmen kann daraus die Gewebesteifigkeit, also die Viskoelastizität berechnet werden.

 

Die Viskoelastizität setzt sich zusammen aus der Elastizität und der Viskosität des Gewebes. Das Verhältnis dieser beiden Eigenschaften wird durch den sogenannten angepassten damping ratio [2] Wert ausgedrückt. Wenn der Wert der angepassten damping ratio groß ist, ist das Gewebe gesund und eher viskos als elastisch (siehe unten). Es entsteht ein sogenanntes Elastogramm – ein farbkodiertes anatomisches Bild, das die unterschiedlichen Elastizitäts- oder Steifheitsgrade darstellt.

MRE im Gehirn 

Aufgrund der komplexen und empfindlichen Gewebestruktur des Gehirns, welches zudem vom Schädelknochen geschützt wird, wird hier ein Aktuator verwendet, der im gesamten Kopfbereich fast unmerkliche Vibrationen auslöst. In der hier erläuterten Studie verwendete man zur mechanischen Anregung ein Kissen, das Vibrationen erzeugte.

Neuronale Krankheiten verursachen eine Veränderung der Gewebesteifigkeit des Gehirns. Lipp und Kolleg*innen (2013) gaben insbesondere Alzheimer, Multiple Sklerose und Parkinson als mögliche Beispiele an. Neuronale Degeneration führt zu einem Verlust der Viskoelastizität, das bedeutet das Gehirngewebe wird bei neuronaler Krankheit weicher. Mithilfe der MRE können neurodegenerative Vorgänge frühzeitig identifiziert werden. Die MRE kann unser Wissen über die Entwicklung unseres Gehirns ausbauen und vervollständigen und sie liefert uns Erkenntnisse über neurologische Erkrankungen und über die Leistungen von verschiedenen Hirnregionen bei gesunden und kranken Menschen. Mithilfe der MRE-Methode kann also die strukturelle Veränderung im menschlichen Gehirn genauer als bisher beobachtet werden.

Schwarb et al. (2017)

 

Johnson & Telzer (2018); Kahl-Scholz & Vockelmann (2017)

 

Good to know: Die Gewebestruktur des Gehirns eines an Multipler Sklerose Erkrankten ist um 12,5% weicher als die eines Gesunden.  Alzheimer Erkrankte zeigen eine um 7,2% weichere Gewebestruktur. Mit jedem Jahr wird die Gewebestruktur des menschlichen Gehirns um 0,3-1,0% weicher (Murphy et al., 2011).

 
Vorteile der MRE Nachteile der MRE

👍Die MRE ist nicht invasiv und nicht toxisch.

👍 leicht anwendbar

👍 Sie kommt ohne die Applikation schädigender Röntgenstrahlen aus.

👍 Sie bildet die Feinstruktur verschiedener Gehirngewebe ab.

👍 Sie kann an allen Körperregionen angewendet werden.

👍 Bietet besonders beim Einsatz im Gehirn Erkenntnisse über neurologische Erkrankungen und über die mikrostrukturellen Gewebeeigenschaften von verschiedenen Hirnregionen

👍 Keine bekannten biologischen Risiken

👎 Die Elastographie wird in Deutschland von den gesetzlichen Krankenkassen nicht finanziert und ist außerhalb von Studien kostenpflichtig.

👎 Viele Ausschlusskriterien für die Untersuchung von Gesunden und Patient*innen: Klaustrophobie, Metall im Körper (z.B. Herzschrittmacher, Nägel von Operationen, Stents, Zahnspangen, manchmal Tattoos), Fettleibigkeit

👎 Abschirmung der elektromagnetischen Felder erforderlich

👎 Manche Regionen sind schwerer abzubilden.

👎 Sehr laut

Johnson& Telzer (2018); Kahl-Scholz & Vockelmann (2017)

Wie ging die Studie nun vor und welche Aufgaben hatten die Proband*innen?

Es wurden 51 Teilnehmer, 25 Männer und 26 Frauen (zwischen 18 und 35 Jahre) untersucht. Dabei wurden bei allen Proband*innen drei Eigenschaften erörtert:

Zuerst wurde das Volumen und die mikrostrukturelle Gewebeeigenschaften des Hippocampus mittels des MRE berechnet. Zur Erinnerung: Die mikrostrukturellen Gewebeeigenschaften werden als angepasster damping ratio Wert ausgedrückt, der die Viskoelastizität des Hippocampus beschreibt. Ein höherer angepasster damping ratio ξ’ bedeutet, dass die Gewebeeigenschaft mehr einem elastischen Festkörper gleicht (gesünderes Gewebe), während ein niedriger angepasster damping ratio einer viskosen Flüssigkeit ähnelt.

Goldstandard zur Beurteilung der aeroben Fitness ist der maximale Sauerstoffverbrauch (VO2max).

Als nächstes wurde die aerobe Fitness über die Messung des maximalen Sauerstoffverbrauch (VO2max) beurteilt. Dabei war die Aufgabe der Proband*innen auf einem Laufband zu laufen, beginnend mit einer Aufwärmphase. Die Laufgeschwindigkeit blieb nach der Aufwärmphase konstant und alle zwei Minuten wurde die Steigung (das Gefälle) um 2-3% erhöht. Der Test endete bei der maximalen Belastung der Studienteilnehmer*innen. Sie hörten also auf zu laufen, sobald sie ihre individuelle maximale Belastung erreichten, die durch verschiedene subjektive und objektive Kriterien definiert wurde. Ziel dieser Fitnessaufgabe war es, die aerobe Fitnessleistung aller einzelnen Proband*innen zu messen, um sie später mit der Leistung der Gedächtnisaufgabe und der Gewebestruktur des Hippocampus in Zusammenhang zu bringen.

Zuletzt wurde die Leistung des relationalen Gedächtnisses mit einer computergestützten Aufgabe getestet. Diese erfolgte an einem separaten Tag, um mögliche akute Trainingseffekte zu vermeiden. Das relationale Gedächtnis beschreibt die Fähigkeit, Elemente einer Erfahrung flexibel miteinander zu verbinden. Dazu sollten Bilder räumlich rekonstruiert werden.

  1. Die Proband*innen betrachteten 20s lang die Position von sechs Strichzeichungen.
  2. Anschließend erschien für vier Sekunden ein leerer Bildschirm.
  3. Die sechs Strichzeichnungen wurden erneut in einer Linie im oberen Rand dargestellt.
  4. Die Aufgabe der Proband*innen war nun, die Zeichnungen (mit der Maus) an den „richtigen“ (vorher dargestellten) Ort zu schieben. Eine zeitliche Begrenzung gab es nicht.
  5. Insgesamt mussten die Proband*innen die Aufgabe 20 Mal hintereinander durchführen

Zu welchen Ergebnissen kam es?

Es zeigten sich korrelative Zusammenhänge zwischen:

  • der Viskoelastizität des Hippocampus und der relationalen Gedächtnisaufgabe (Je besser eine Person die Darstellung rekonstruieren konnte, desto elastischer war ihr Hippocampus.)
  • der Viskoelastizität des Hippocampus und der aeroben Fitness (Je elastischer der Hippocampus einer Person war, desto körperlich fitter war sie.)
  • der relationalen Gedächtnisaufgabe und der aeroben Fitness (Je besser die aerobe Fitness einer Person war, desto besser war sie in der räumlichen Rekonstruktion der Bilder.)

Das Volumen (im Gegensatz zur Viskoelastizität) des Hippocampus stand, wie erwartet, nicht mit der aeroben Fitness und auch nicht mit der Gedächtnisaufgabe im Zusammenhang.

Zudem konnte gezeigt werden, dass die Viskoelastizität des Hippocampus als Vermittler zwischen der aeroben Fitness und dem relationalem Gedächtnis dient.

Ein kleiner Egoschub für die Männer: Männliche Teilnehmer zeigten eine bessere aerobe Fitness und somit auch eine bessere Viskoelastizität des Hippocampus und bessere Leistungen in der relationalen Gedächtnisaufgabe.

Was sagt uns das jetzt?

Das MRE Verfahren ist ein hilfreiches Tool, um die mikrostrukturelle Gewebeeigenschaften zu erfassen. Dabei dient sie nicht nur zur Unterstützung bei der Erkennung von Krankheiten;  sondern auch bei gesunden, jungen Menschen zeigt sich eine hohe Variabilität. Bei dieser Zielgruppe kann die MRE, wie in dieser Studie gezeigt wurde, beispielsweise Aufschluss über die Leistungsfähigkeit bestimmter Hirnareale geben. Der Index der Viskoelastizität (damping ratio) kann hierbei den Effekt der aeroben Fitness bei jungen Erwachsenen besser darstellen als das alleinige Betrachten des Hippocampusvolumen und kann in der Literatur zur Erweiterung um eine Altersgruppe beitragen. So lässt sich der Effekt von Sport nicht nur bei Kindern und älteren Erwachsenen (durch das Hippocampusvolumen gezeigt) nachweisen. Die Studie macht erkenntlich, dass körperliche Fitness und geistige Fitness zusammenhängen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Ausdauersport einen Effekt auf die Gedächtnisfunktion hat, welcher durch die Viskoelastizität des Hippocampus vermittelt werden könnte. Also kurz gesagt: Je besser eure Fitness, desto elastischer euer Hippocampus, desto besser eure räumliche Gedächtnisleistung.

Limitationen und Ausblick

Die Studie setzt einen guten Grundstein, um weiter die Beziehung zwischen den Eigenschaften des neuronalen Gewebes und der Kognition zu untersuchen, vor allem, da auch bei gesunden Personen schon eindeutige Unterschiede zu erkennen sind.

Die hier vorgestellten Zusammenhänge lassen keine Aussagen über die Kausalität zwischen aerober Fitness und der Strukturfunktion des Hippocampus zu. Wir können zwar sagen, dass aerobe Fitness mit einer Veränderung der Strukturfunktion des Hippocampus einhergeht, jedoch wissen wir nichts darüber, welche Einflussfaktoren für diese Zusammenhänge verantwortlich sind. Möglicherweise könnte Intelligenz ein solcher Einflussfaktor auf die Leistung des Gedächtnistests sein und man könnte überlegen, dass intelligentere Menschen eher auf ihre körperliche Fitness achten. Bringt somit eine höhere Intelligenz eine bessere hippocampale Gewebestruktur und ein besseres Abschneiden der Gedächtnisaufgabe mit sich? Oder doch andersherum - führt aerobe Fitness dazu, dass Menschen intelligenter werden? Um das zu untersuchen, könnte man in weiterführenden Studien einen Intelligenztest integrieren.

Es gibt jedoch bereits Studien, die einen kausalen Zusammenhang gefunden haben, z. B. konnte an Multipler Sklerose Erkrankten gezeigt werden, dass sich die Viskoelastizität und das Gedächtnis durch Trainingsinterventionen verbesserten (Sandroff et al., 2017). Zukünftige Fitness-Interventionsstudien haben das Potenzial, direkter auf den kausalen Zusammenhang einzugehen, indem sie in Langzeitstudien den Effekt von regelmäßigem Ausdauersport auf die Hippocampusstruktur und die Gedächtnisleistung innerhalb einer Gruppe zu verschiedenen Testzeitpunkten untersuchen. Zur Kontrolle und Überprüfung der berichteten Forschungsergebnisse müsste zudem in Zukunft eine Replikationsstudie durchgeführt werden.

Wir wollen außerdem anmerken, dass die tatsächliche maximale Fitnessleistung möglicherweise nicht erfasst werden konnte. Das könnte zum einen daran liegen, dass die Proband*innen zum Testzeitpunkt wenig motiviert waren, oder schlichtweg einen schlechten Tag hatten. Um solch eine Verzerrung der Ergebnisse zu vermeiden, könnte man die Fitnessaufgabe mehrmals an verschiedenen Tagen durchführen lassen und den Durchschnittswert verwenden. (Trainingseffekt: Um einen Trainingseffekt zu vermeiden, müsste man Zeitabstände zwischen den Fitnessaufgabe einhalten.) Zum anderen wissen wir nicht, welche  Sportarten die Proband*innen in ihrer Freizeit betreiben. Diese Information wäre aber wichtig, denn die aerobe Fitnessleistung von Schwimmer*innen könnte beispielsweise hoch sein, wird aber durch die hier verwendete Laufbandaufgabe womöglich nicht gut erfasst.

Möglicherweise aktivieren andere Sportarten, wie Kraft- oder Intervalltraining andere neuronale Bereiche, die für andere Lernprozesse zuständig sind. Haben Kraft- und Intervalltraining auch einen Effekt auf die Viskoelastizität von bestimmten bzw. anderen Hirnregionen? Wie würde aerobe Fitness mit anderen Gedächtnisleistungen in Zusammenhang stehen, wie z.B. der verbalen Merkfähigkeit?

Interessant wären auch Aufgaben zum Langzeitgedächtnis, da in der vorliegenden Studie eher das Kurzeitgedächtnis getestet wurde. Die Darstellung muss man sich ja nur über einen sehr kurzen Zeitraum merken und rekonstruieren. Könnte es zu anderen Ergebnissen kommen, wenn Informationen über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden müssen? Zudem kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob eine Sporteinheit am besten direkt vor einer Lerneinheit durchgeführt werden soll, da ein direkter, unmittelbarer Effekt des Sports auf das Gedächtnis nicht untersucht worden ist und auch nicht, ob in einem Vokabeltest besser abgeschnitten wird, wenn vorher regelmäßig Sport gemacht wurde, schließlich beziehen sich die Ergebnisse nur auf die relativ zeitnahe räumlich Rekonstruktion von Bildern und können nicht auf andere Gedächtnisleistungen generalisiert werden.

Abschließend lässt sich festhalten, dass ab und an mal laufen zu gehen unserem Lern- und Erinnerungsvermögen vermutlich nicht schadet. Also ja: Geht die Runde joggen, aber lernen solltet ihr trotzdem und ja: Es muss leider weiter sein als euer Kühlschrank. Eure körperliche Aktivität kann sich nicht nur positiv auf euer Gedächtnis auswirken, sondern wird sicherlich auch Vorteile für eure allgemeine geistige Fitness haben, sowie „Honig im Kopf“ herauszögern. Was meint ihr? Sollten im Bildungs- und Arbeitswesen oder auch in Pflegeheimen mehr sportliche Interventionen eingeführt werden, wenn sie doch unseren geistigen Abfall bremsen können? Was macht ihr, um euch geistig und körperlich fit zu halten?

 

Was machst du für deine körperliche Fitness?

 

 

 

[1] Weiße Substanz; Gewebe in Gehirn und Rü­cken­mark, das zu großen Teilen aus mark­haltigen (myelinisierten) Nerven­fasern be­steht und neuronale In­formationen weiter­leitet (Trepel, 2017)

[2] Angepasster damping ratio (ξ’ = 1 − ξ); normalerweise wird der damping ratio Wert größer, wenn das Gewebe viskoser und weniger elastisch ist. In dieser Studie wurde dieser Wert umgerechnet und als angepasster damping ratio bezeichnet.

Quellen

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Chaddock-Heyman, L., Erickson, K. I., Chappell, M. A., Johnson, C. L., Kienzler, C., Knecht, A., Drollette, E. S., Raine, L. B., Scudder, M. R., Kao, S.‑C., Hillman, C. H. & Kramer, A. F. (2016). Aerobic fitness is associated with greater hippocampal cerebral blood flow in children. Developmental Cognitive Neuroscience, 20, 52–58. https://doi.org/10.1016/j.dcn.2016.07.001

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