Psychotherapie überflüssig? Kann sich das Gehirn durch Neurofeedback selbst heilen?

Schnell und einfach erlernen, Kontrolle über dein Gehirn zu erlangen und deinen Stress zu regulieren - das klingt doch nach dem, was wir alle gerade brauchen. Und nicht nur das: Mit dieser Methode könnten sogar psychische Erkrankungen behandelt werden - ganz ohne Psychotherapie und ganz ohne Medikamente, Risiken oder Nebenwirkungen. Würdest du sie ausprobieren wollen?

Die Methode, die solche Resultate versprechen soll, nennt sich Neurofeedback. Mit nur wenigen Sitzungen sollen hierbei nachhaltige Erfolge erzielt werden. Klingt verlockend. Doch was steckt wirklich hinter Neurofeedback?

In den 60er Jahren gab es erstmals einen Durchbruch, als bewiesen werden konnte, dass durch operante Konditionierung Kontrolle über EEG-Rhythmen ausgeübt werden konnte [11]. Ein Forscher, der erste Hinweise lieferte, dass Gehirnwellen absichtlich verändert werden könnten, war Schlafforscher M. Barry Stearman. Er verfolgte EEGs von Katzen und fand ein unbekanntes Muster von Gehirnwellen. Durch Experimente konnte Stearman darlegen, dass es möglich ist, die eigenen Gehirnwellen gezielt zu verändern [7]. Daraufhin forschte Stearman an menschlichen Proband:innen. Als es ihm gelang, durch das Training epileptische Anfälle zu reduzieren, folgten viele weitere Forschungen mit der Methode des Neurofeedbacks.

Infokasten: Wie funktioniert Neurofeedback?

Neurofeedback (NF) ist eine Methode des Biofeedbacks, bei der Proband:innen erlernen können, ihre Gehirnaktivität unterbewusst zu regulieren. Mithilfe eines EEGs oder fMRTs werden dabei verschiedene Gehirnaktivitäten aufgezeichnet. Diese lassen z.B. auf den Gemütszustand (wie Konzentration oder Entspannung), die Aktivität einer bestimmten Hirnregion oder negative Muster bei psychischen Erkrankungen schließen. Die aufgezeichneten Daten werden dann in Echtzeit verarbeitet, umgewandelt und den Proband:innen z.B. visuell auf einem Bildschirm implizit vermittelt. Die Proband:innen bekommen also ein Feedback über die eigene neuronale Aktivität. Je nach Gehirnaktivität ändert sich das Feedback: Erwünschte Reaktionen werden belohnt und bei unerwünschten Reaktionen folgt z.B. ein negatives Feedback. Die Funktionsweise von Neurofeedback wird daher hauptsächlich durch Operante Konditionierung erklärt. Die Proband:innen lernen auf diese Weise auf einer impliziten Ebene, wie sich ihre neurologischen Reaktionen anfühlen und wie sie erwünschte Reaktionen willentlich herbeiführen können. Da das Neurofeedback in Echtzeit stattfindet, spricht man bei fMRT-Designs in der Forschung auch von Real-Time-fMRT Neurofeedback (rt-fMRT-NF). [2] [14]

Reminder

Was ist EEG? Elektroenzephalografie (EEG) ist eine Methode zur Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns. Das Elektroenzephalogramm stellt die Spannungsschwannkungen dann grafisch dar.[3]

Was ist fMRT? Die funktionelle Magnetresonanz-Tomographie (fMRT) ist ein bildgebendes Verfahren, um physiologische Funktionen im Inneren des Körpers darzustellen. Insbesondere können aktivierte Hirnareale dargestellt werden.[3]

Beim Neurofeedback mit EEG werden die unterschiedlichen Gehirnwellen gemessen. Beim fMRT richtet sich das Feedback nach der hämodynamischen Reaktion einer bestimmten Gehirnregion (bei der neurophysiologischen Aktivierung kortikaler und subkortikaler Hirnregionen verändert sich der Blutfluss im erregten Hirngewebe). [2] [3]

Feedback Displays und Instruktionen

Das Feedback, das den Proband:innen präsentiert wird, kann sehr unterschiedlich aussehen. Es kann visuell oder auditiv, kontinuierlich oder intermittierend stattfinden. Neurofeedback kann darüber hinaus entweder ein explizites oder ein implizites Design haben. Bei expliziten Designs werden Proband:innen dazu angeleitet, ihre Gehirnaktivität anhand des Feedbacks zu regulieren. Bei impliziten Designs erfolgt keine Instruktion. [2]

Algorithmen und Quellen der Neurofeedback-Signale

Eine fMRT-Sequenz kann Signale von zehntausenden Quellen sammeln. Bei rt-fMRT-NF Studien ist es entscheidend, welcher Teil dieser Signale für das Feedback verwendet wird. Der häufigste Ansatz ist dabei die Auswahl einer Anatomical Region of Interest (ROI). Dabei kann es sich beispielsweise um die Amygdala oder Teile des Präfrontalkortex handeln. Das durchschnittliche Signal dieser ROI wird dann ermittelt und als Feedback dargestellt. Die ROI kann entweder festgelegt sein oder individuell bestimmt werden. Ebenfalls können mehrere ROIs gewichtet und in einem Feedback kombiniert werden.

Ein weiterer Ansatz ist die Klassifizierung der Gehirnaktivität, um das Feedback dann an der Annäherung an den gewünschten Gehirnaktivitätszustand zu orientieren. Dazu dienen z.B. eine Support Vector Machine (SVM) sowie andere Ansätze von sogenannten Multi-Voxel-Pattern-Analysen (MVPA). SVM ist ein Lernalgorithmus, der berechnet, wie zwei Datensätze am besten unterschieden werden können. [2]

Die Quellen von Neurofeedback können also aus einer einzelnen ROI stammen (1), aus der zeitlichen Korrelation zweier ROIs berechnet werden (2) oder ein Algorithmus klassifiziert die Signale aus dem gesamten Gehirn und wandelt sie in ein Feedback um (3; siehe Abbildung).

Auf einen Blick

Pro

  • keine Nebenwirkungen/Risiken
  • Verhalten und Störungen können im Hinblick auf neuronale Aktivitätsmuster erforscht werden
  • das Erlernen der Regulation der Gehirnaktivität könnte Chancen bei bisher unheilbaren Erkrankungen bieten
  • weniger Sitzungen als z.B. Psychotherapie
  • sehr vielseitig einsetzbar

Contra

  • funktioniert nicht bei jedem
  • Wirksamkeit wenig erforscht
  • Kosten werden nur teilweise von der Krankenkasse übernommen
  • grundsätzlich eher extrem teuer
  • viele private Anbieter - dadurch Seriösität der Angebote schwankend

Neurofeedback zur Stressregulation

Wir arbeiten zu viel oder prokrastinieren bis der Zeitdruck uns einholt. Wir sagen zu oft „Ja“ und bereuen zu lange nicht einfach mal „Nein“ gesagt zu haben. Wir sind ständig erreichbar, überall zur gleichen Zeit und vieles sollte bereits Vorgestern schon erledigt sein – zack zack. Die Höhe unserer Erwartungen konkurriert nur knapp mit dem Stapel an To-Do’s. Stressig, oder? Während die meisten von uns (hoffentlich) nur einige dieser Faktoren zugleich bewältigen müssen, so kann Stress bei anderen Menschen auch zu vielerlei psychischen sowie körperlichen Erkrankungen führen. Zum Ausgleich machen die Einen Yoga, die Anderen trinken ein Glas Wein (oder beides gleichzeitig?). Die eine passende Methode für alle gibt es wohl nicht – oder doch?

Auf neuroanatomischer Ebene betrachtet spielt das limbische System eine große Rolle für das Stresserleben. Genauer gesagt vor allem eine Struktur des limbischen Systems: die Amygdala. Erkrankungen, die mit Stress in Verbindung stehen, konnten auf eine gestörte (Down-)Regulation der Amygdala-Aktivität zurückgeführt werden. Dies geschieht normalerweise über den präfrontalen sowie über den anterioren cingulaten Cortex. Um zu verstehen, was Neurofeedback in diesem Kontext leisten kann, sollten wir uns also an dieser Stelle kurz mit der Amygdala befassen. Ja, wir hören Euch und uns geht es genauso: Wir brauchen ein Bild vor Augen.

Hier seht ihr die anatomischen Strukturen des limbischen Systems. Dazu gehören neben der Amygdala auch der Hippocampus, der Hypothalamus, die Basalganglien, die olfaktorische Drüse sowie der Cingulate Gyrus.

Rechts sind isoliert die mandelförmigen Strukturen der Amygdala zu sehen. Sie verknüpft unsere Erlebnisse und Erinnerungen mit einer emotionalen Bewertung sowohl positiver als auch negativer Valenz. Eine wohl nicht minder wichtige Funktion ist außerdem das Erkennen einer Bedrohung gekoppelt mit unseren Erfahrungen und der dazugehörigen Angst oder Aggressionsreaktion.


Und wie kann man jetzt Neurofeedback zur Stressregulation nutzen‽

Immer mit der Ruhe, die Auflösung folgt gleich. Die Nutzung von Real-Time-fMRT als Neurofeedback ist ziemlich aufwändig: Hohe Kosten, fehlende Mobilität und die niedrige Zugänglichkeit lassen vor Studien mit rt-fMRT zurückschrecken. Es ist viel einfacher und praktischer, ein EEG für Neurofeedback zu nutzen. Doch rt-fMRT-NF kann auch ganz neue Möglichkeiten eröffnen: Man kann sich nämlich auf ganz bestimmte Regionen des Limbischen Systems zu fokussieren – wie zum Beispiel die Amygdala. Und diese tief im Hirn liegende Region kann vom EEG nicht erfasst werden. Da die Amygdala ja so eine wichtige Rolle beim Stressmanagement und der Emotionsregulation spielt und ihre Aktivität bei Patient:innen mit psychischen Störungen verändert sein kann, sieht man nun genau an dieser Stelle eine große Chance im klinischen Setting: Eine Behandlungsmethode für psychische Erkrankungen ganz ohne Medikamente – nur mit Real-Time-fMRT-Neurofeedback‽

Unter anderem wird das Herunterregulieren der Amygdalaaktivität über den präfrontalen Kortex oder den anterioren cingulären Kortex als Schlüsselmechanismus für Emotionsregulation und Stressbewältigung angesehen. In früheren Studien mit gesunden Soldaten hat man herausgefunden, dass die Hyperaktivierung der Amygdala einen prädisponierenden Faktor für die Stress-Vulnerabilität darstellt und dementsprechend für die Regulation über Neurofeedback gut geeignet ist.

Lokalisation des ventromedialen präfrontalen Cortex

So konnte in fMRT-Neurofeedback-Studien durch Training bereits eine Verbesserung der emotionalen Regulation, reduzierte Depressionssymptome sowie ein stärkerer Zusammenhang der Aktivität im ventromedialen präfrontalen Cortex (vmPFC; siehe Abbildung) erreicht werden. [16]

Eine Forschergruppe um Keynan und Kolleg:innen (2019) setzte sich als Ziel, beide Neurofeedback-Methoden – fMRT und EEG – zu vereinen, um die großen Nachteile beider Methoden zu überwinden. Sie verwendeten einen Algorithmus, um gleichzeitig EEG- und fMRT-Daten aufzuzeichnen. Dieser Algorithmus lernte, aus dem EEG-Signal die Aktivierung in den Hirnregion, die man mit fMRT messen kann (in diesem Fall die Amygdala-Aktivität), vorherzusagen. Somit ersetzte man den Zweck des fMRT. Das ganze nannten sie die Methode des elektrischen Fingerabdrucks der Amygdala (engl. Amyg-EFP; Amygdala-Electrical Fingerprint). Diese vereint die Stärken beider Methoden und macht sie besser für NF-Training geeignet. [4]

Was genau untersuchten Keynan und Kolleg:innen nun?

Keynan und Kolleg:innen untersuchten die Wirksamkeit von wiederholten Neurofeedback-Sitzungen mittels Amyg-EFP auf neuronale, kognitive und behaviorale Aspekte der Emotionsregulation. Das Studiendesign war dabei eine randomisierte kontrollierte Studie, bei der weder die Versuchsleiter:in noch der Proband Kenntnis über die jeweilige Gruppenzugehörigkeit hatten. Die Stichprobe umschloss 180 männliche Soldaten zwischen 18-24 Jahren, die sich in den ersten Wochen eines militärischen Kampftrainings befanden. Für die Soldaten hieß das natürlich: Stress! All das wurde in der Trainingsbasis der Soldaten durchgeführt.

Ziele dieser aufwändigen Aktion:

  1. Prüfung der Spezifität des Amyg-EFP-NF
  2. Testen der Wirksamkeit von Amyg-EFP-NF auf die Emotionsregulation
  3. Untersuchung der Amygdala-Aktivität auf ihre Nachhaltigkeit anhand von Follow-Ups

Für die ersten beiden Fragestellungen wurde die Stichprobe in drei Gruppen aufgeteilt: Eine Interventionsgruppe á 90 Personen, die mit dem Amyg-EFP-NF trainierten und zwei Kontrollgruppen. Die Kontrollgruppen wurden nochmals in zwei Gruppen je 45 Personen aufgeteilt. Eine Gruppe bekam EEG-Neurofeedback, die andere kein Neurofeedback.

Innerhalb von 4 Wochen erhielten die Neurofeedbackgruppen 6 Neurofeedback-Sitzungen. Die Amyg-EFP-NF-Gruppe sollte dabei erlernen, das Amyg-EFP-Signal zu regulieren. Die NF-Kontrollgruppe durchlief die gleiche Intervention, jedoch erhielt sie klassisches EEG-Neurofeedback, das nicht speziell auf die Amygdala fokussiert war. Die Proband:innen dieser Gruppe lernten die Regulation bestimmter Hirnwellen (sogenanntes Alpha/Theta-Signal). Für das Set-up wurde multimodales Interface-Material verwendet, da es den Probanden erfahrungsgemäß umfassender ins Geschehen einbezieht und mehr Einsatz erfordert. Was wiederum zu langfristigeren Ergebnissen nach den Trainingseinheiten führen sollte. Dabei wurde den Probanden in der EEG-Neurofeedback-Session eine virtuelle 3D-Situation dargeboten, die entweder ein angespanntes oder entspanntes Level annehmen konnte. Wie man sich das vorstellen kann, seht ihr hier:

 

Um die Emotionsregulationfähigkeit zu messen, wurden Vorher- und Nachher-Messungen von Fragebögen zu Ängstlichkeit und Gefühlskälte sowie des e-Stroop-Tests durchgeführt. Der e-Stroop-Test überprüfte dabei die Regulationsfähigkeit bei emotionalen Konflikten.

 

Die Probanden bekamen Bilder eines ängstlichen oder eines glücklichen Gesichts zu sehen. Darunter war ein Schriftzug („fearful“ oder „happy“) zu lesen, der entweder mit den Gesichtern übereinstimmte oder nicht. Die Probanden waren dazu angeleitet, ausschließlich den emotionalen Gesichtsausdruck zu lesen und den Schriftzug zu ignorieren. Als Maß galt dabei die Reaktionszeit auf kongruente bzw. inkongruente Reize.

Zusammengefasst beschäftigte sich die Untersuchung von Keynan und Kolleg:innen mit der Modulation tiefliegender limbischer Gehirnaktivität durch eine kostengünstige, mobile und anwendungsfreundliche NF-Methode. Durch das Forschungsdesign konnte untersucht werden, ob das amygdala-zentrierte Neurofeedback auch wirklich besser war als herkömmliches EEG-Neurofeedback. Durch das randomisiert kontrollierte Design konnte außerdem zwischen spezifischen und nicht-spezifischen Effekten von NF unterschieden werden. [4]

Was konnte dabei festgestellt werden? Noch wichtiger: Was können wir daraus schließen?

Und tatsächlich: Die Amyg-EFP-NF-Gruppe schnitt tendenziell in allen Maßen besser ab. Die NF-Kontrollgruppe zeigte meistens keine Verbesserung - allerdings auch keine Verschlechterung und die No-NF-Kontrollgruppe hatte sogar tendenziell verschlechterte Werte (was natürlich auch verständlich ist wenn man so ein super stressiges militärisches Kampftraining durchläuft)! Verglichen mit der EEG-NF-Kontrollgruppe erlernte die Amyg-EFP-NF-Gruppe die Reduktion des Amyg-EFP-Signals besser und zeigte einen größeren Trainingsfortschritt. Dieser war zudem nachhaltig und blieb auch während einer kurzen Sequenz ohne NF und einer parallel zu bearbeitenden kognitiven Aufgabe beständig. Amyg-EFP-NF hatte außerdem Effekte auf die Emotionsregulation. Sowohl beim e-Stroop-Test als auch bei den Fragebögen zur Gefühlkälte und zur Ängstlichkeit schnitt die Amyg-EFP-Gruppe besser als die Kontrollgruppen ab. Im Follow-Up wurde zudem deutlich, dass die Interventionsgruppe ihre Amygdala-Aktivität auch nach zeitlichem Abstand zu den Sitzungen besser regulieren konnte als die No-NF-Kontrollgruppe.

Insgesamt bestätigte die Studie daher die Spezifität und Wirksamkeit des Amyg-EFP-NF-Trainings für die Modifizierung der Emotionsregulation unter stressigen Bedingungen. Daraus kann geschlossen werden, dass eine willentliche Regulation der Gehirnaktivität - auch in tiefliegenden limbischen Regionen – erlernbar ist und durch Training verbessert werden kann. [4]

Was wir von der Studie halten

Die Verknüpfung des elektrischen Fingerabdrucks der Amygdala mit so einem spezifischen Interface wie im Video oben hat sich in der Studie als besonders wirkungsvoll erwiesen. Gerade für die nächste Generation junger Forscher:innen kann dies als Anreiz verstanden werden, einen Schritt weiter zu denken und daraus Interventionen zu entwickeln, die speziell auf das Trainingsziel ausgerichtet sind statt an der Oberfläche der Problematik zu kratzen - vielleicht gelingt es uns dann auch noch die letzten Zweifel an der Wirksamkeit des Neurofeedbacks in verschiedensten Einsatzgebieten durch exakte Forschung und Umsetzung zu zerstreuen. Aus der Studie von Keynan und Kolleg:innen kann man festhalten, dass das Erlernen der (Down-)Regulation der Amygdala-Aktivität über Amyg-EFP-NF die Konnektivität der Amygdala mit dem ventromedialen präfrontalen Cortex stärken konnte - insbesondere in Bezug auf die kognitive Verarbeitung von Emotionen. Dadurch konnte auch die Annahme gestützt werden, dass die Amygdala nicht lediglich als Zentrum der Angst fungiert, sondern eben auch dazu dienen kann, anhand ihrer Aktivität emotionale Reaktionen zu regulieren. [4] Insgesamt sehen wir die Studie als großen Schritt in der NF-Forschung an. Gerade weil mit dem elektrischen Fingerabdruck zwei NF-Methoden miteinander verknüpft werden. Um die Wirksamkeit von Neurofeedback-Trainings zur Stressregulation auch klinisch bedeutsam zu machen, sollten jedoch in Zukunft auch noch klinische Populationen untersucht werden.

 

Wie sieht die Forschung zu Real-Time-fMRT Neurofeedback aus?

Eins steht fest: Neurofeedback ist durch seine Vielseitigkeit ein sehr attraktives Instrument und die Anzahl der Veröffentlichungen stieg in letzter Zeit stark an. Durch Forschung mit Neurofeedback verstehen wir besser, inwiefern Muster neuronaler Aktivität menschlichem Verhalten und psychischen Störungen zugrunde liegen. Mit diesem Wissen können wir auch das Ziel des Neurofeedback-Trainings neu definieren: Die neuronalen Aktivitätsmuster nicht-invasiv durch Neurofeedback verändern und damit eine Vielzahl von bisher unlösbaren neurologischen und psychischen Gesundheitszuständen angehen. So langsam ist aber klar: Auch wenn rt-fMRT-NF das Überflieger-Verfahren zu sein scheint, so kann man inzwischen das kostengünstigere EEG nahezu genauso effizient nutzen. Was kann man also noch so mit rt-fMRT-NF anstellen und welche Erkenntnisse resultieren aus bereits erfolgten und aktuellen Studien?

Fede et al. (2020) schauten sich mit genau dieser Fragestellung 146 ausgewählte Studien an, die Neurofeedback mithilfe von fMRT nutzten. Dabei stellten sie fest, dass sich bisherige Studien hauptsächlich mit Emotionsregulation, Reaktionen auf Schlüsselreize und Motorik befassten. Zusammengefasst konnte festgestellt werden, dass Patient:innen durch Neurofeedback lernen konnten, ihre Amygdala-Aktivität zu regulieren. Dadurch konnte z.B. die Symptomatik bei einer Depression und einer PTBS verbessert werden. Des Weiteren konnte durch Training der emotionalen Reaktivität zu einer Linderung des Verlangens bei Abhängigkeiten verholfen werden. Ebenfalls konnten durch Neurofeedback Angstsymptome gelindert werden. Der Einsatz von Neurofeedback bei motorischen Beeinträchtigungen könnte außerdem vielversprechend für die neurologische Rehabilitation nach Schlaganfällen, Unfällen oder bei Parkinson sein. Diese Bereiche stecken allerdings noch in Kinderschuhen. Proband:innen konnten darüber hinaus auch ihren visuellen und auditiven Kortex regulieren. Dieser Forschungsbereich ist interessant für Patient:innen mit Halluzinationen (z.B. Schizophrenie) oder Tinnitus. Betrachtet man Neurofeedback in Verbindung mit Kognition, zeigen Ergebnisse, dass Zusammenhänge mit Daueraufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis und visuellem Gedächtnis bestehen.

Es konnte festgestellt werden, dass viele Patient:innen ihre Gehirnaktivität regulieren konnten. Es gab allerdings auch immer eine gewisse Anzahl an Non-Respondern - also Personen, die gar nicht auf NF angesprungen sind und nicht dazu in der Lage waren, ihre Gehirnaktivität zu regulieren.

Zudem ist es schwierig, gesunde Populationen mit klinischen Populationen zu vergleichen: Unter anderem wurde nämlich festgestellt, dass sich die kognitiven Strategien von Schizophrenie-Patient:innen zur Regulation des anterioren cingulären Kortex (siehe Abbildung rechts) von denen der gesunden Proband:innen unterschieden. Das heißt: Neurofeedback funktioniert nicht bei jedem gleich! Es gibt unterschiedliche Strategien, um die eigene Gehirnaktivität zu beeinflussen - und die gilt es erst zu entwickeln. [2]

Der anteriore cinguläre Cortex (ACC) ist der vordere Teil des Gyrus cinguli. Der Gyrus cinguli gehört zum Limbischen System.

Was muss in Zukunft besser mit rt-fMRT-NF erforscht werden?

Trotz der vielversprechenden Ergebnisse bisheriger Studien wurden große Defizite in der Forschung zu Neurofeedback festgestellt:

Die allermeisten Studien untersuchten gesunde Populationen. Nur wenige klinische Populationen wurden in der Vergangenheit mit Neurofeedback untersucht. Das lässt natürlich an der Wirksamkeit von Neurofeedback bei psychischen Störungen zweifeln.

Art der Stichproben, die mit Neurofeedback untersucht wurden (Erstellt mit WordItOut)

Es sind striktere, klinisch fokussierte Studien erforderlich, bevor Neurofeedback als gängige Interventionsmethode angesehen werden kann. Auch die Untersuchungsdesigns müssen dazu in der Lage sein, klinisch relevante Effekte überhaupt zu identifizieren. Zudem geben die meisten Studien ihren Teilnehmer:innen explizite Anweisungen während der Sitzung. Möglicherweise könnten implizite Untersuchungsdesigns neue Erkenntnisse bringen. Auch die Wirksamkeit des rt-fMRT-Neurofeedback-Trainings in Kombination mit anderen Behandlungen sollte untersucht werden und zuletzt dürfen auch die individuellen Unterschiede von Proband:innen nicht vernachlässigt werden.


Ist Neurofeedback also wirklich eine Methode, die Gehirn und Seele ins Gleichgewicht bringen kann?

Bild von Sasin Tipchai auf Pixabay

Neurofeedback-Trainings stellen einen sicheren und praktikablen Ansatz zur Regulierung der Gehirnaktivität und des entsprechenden Verhaltens dar [2]. Es gibt mittlerweile kostengünstige, mobile Varianten, die auch die Möglichkeit bieten, flexibel von Zuhause zu trainieren. NF-Training kann außerdem zur Leistungsverbesserung bei gesunden Personen eingesetzt werden und führt zu besseren kognitiven Leistungen als herkömmliches kognitives Training [6]. Insgesamt lässt sich also festhalten, dass durchaus positive Effekte von NF-Training auf emotionale, kognitive und motorische Funktionen festgestellt werden konnten [5].

Doch Neurofeedback hat auch Schattenseiten. Die Anzahl an Studien, die Effekte empirisch belegen oder die klinische Wirksamkeit der neurofeedback-basierten Interventionen überprüfen, ist eher gering. Daneben weisen einige Studien methodische Mängel auf und es wurde auch die Vermutung aufgestellt, dass Neurofeedback selbst gar keine Wirkung hat, sondern nur über Placebo-Effekte greift [13]. Menschen neigen außerdem dazu, Aussagen, die ein Gehirnforscher herausgefunden hat, eher als glaubwürdig einzustufen. Daher kommt die Überlegung, dass der Effekt auf dieser kognitiven Verzerrung beruhen könnte. Darüber hinaus ist Neurofeedback sehr aufwändig und teuer, wenn man gute EEG-Geräte oder fMRT nutzt und das Training durch geschulte Experten anleitet. Der Begriff Neurofeedback-Trainer ist übrigens nicht geschützt, sodass Patienten nur schwer erkennen können, wie seriös ein Trainingsangebot ist. Die Wirksamkeit von Heimtrainings mit portablen Geräten ist dabei sehr fragwürdig.

Allgemein wäre für NF-Training mehr technisches Fachwissen essenziell. Aus der neuropsychischen Rehabilitation weiß man, dass bei einer Verbesserung in einer kognitiven Funktion gleichzeitig auch eine Verschlechterung in einer anderen kognitiven Funktion einhergehen kann [12]. Oft sind aber auch Veränderungen im EEG über das Training hinweg nicht ausreichend berichtet, um die Effekte auf die Gehirnaktivität beurteilen zu können. Zusätzlich gibt es den Hinweis, dass das Geschlecht von Therapeut:innen und das Geschlecht von NF-Proband:innen einen Effekt auf die Trainingsleistung haben kann. Auch die Motivation, Aufmerksamkeit und Stimmung der Proband:innen kann Einfluss auf die NF-Leistung haben [5][2].

Neurofeedback für Erfolg im Beruf, bessere Noten und im Leistungssport?

Neurofeedback wird mittlerweile angeboten, um Konzentration und Kreativität zu fördern, besser entspannen zu können, das Selbstbewusstsein zu fördern und das Meditieren leichter zu erlernen. Diese Art von Neurofeedback nennt man auch Performance Neurofeedback. Die Methode wird hier also verwendet, um die Leistungsfähigkeit zu steigern. Dieses Feld steht allerdings noch in den Startlöchern und muss in Zukunft besser erforscht werden, um Aussagen über die Wirksamkeit treffen zu können. [1]

Kein Science-Fiction: Du kannst Videospiele mit deiner Gehirnaktivität steuern.

Einige Unternehmen nutzen Neurofeedback sehr... kreativ. Dabei kannst du während der Sitzung deine Lieblingssendung auf Netflix schauen oder ein Videospiel spielen. Die klinische Wirksamkeit ist dabei allerdings sehr umstritten. In den folgenden Videos kannst du sehen, wie Neurofeedback noch aussehen kann und erfährst außerdem, was es mit diesem Mönch auf unserem Titelbild auf sich hat: [1]

 

Könnte Neurofeedback in Zukunft wirklich die Psychotherapie ersetzen?

 

Wir sagen dazu: Neurofeedback ist ein vielversprechender Ansatz, der das Potenzial hat, die mentale Leistungsfähigkeit zu steigern und Symptome einer psychischen Erkrankung zu lindern. Neurofeedback kann daher bei der Behandlung bestimmter Erkrankungen sehr hilfreich sein. Es gibt jedoch keine Ansatzpunkte, die darauf hindeuten, dass Neurofeedback eine Psychotherapie ersetzen kann. Es ist außerdem sehr individuell, wie gut Neurofeedback als Behandlungsmethode funktioniert. Leider ist es noch nicht ausreichend erforscht, wie sich Neurofeedback in Kombination mit anderen Behandlungsmethoden verhält. Das wäre ein spannender Bereich für die Zukunft. Und falls eine herkömmliche Behandlung nicht anschlägt, ist Neurofeedback mit Sicherheit einen Versuch wert. Man sollte jedoch (zumindest noch) nicht den Fehler machen, Neurofeedback als Allheilmittel anzupreisen und sich zu viel von dieser alternativen Methode zu versprechen.

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Interesse geweckt?

Hier findest du weitere Beiträge aus der Reihe Wege zur Erforschung des Gehirns

Quellen

[1] Better brain. better life. (2020, o. D.). Brainboost. https://brainboost.de/

[2] Fede, S. J., Dean, S. F., Manuweera, T. & Momenan, R. (2020). A Guide to Literature Informed Decisions in the Design of Real Time fMRI Neurofeedback Studies: A Systematic Review. Frontiers in human neuroscience, 14, 60. https://doi.org/10.3389/fnhum.2020.00060

[3] Jäncke, L. (2017). Lehrbuch Kognitive Neurowissenschaften (2., überarbeitete Auflage). Hogrefe.

[4] Keynan, J. N., Cohen, A., Jackont, G., Green, N., Goldway, N., Davidov, A., Meir-Hasson, Y., Raz, G., Intrator, N., Fruchter, E., Ginat, K., Laska, E., Cavazza, M. & Hendler, T. (2019). Electrical fingerprint of the amygdala guides neurofeedback training for stress resilience. Nature Human Behaviour, 3(1), 63–73. https://doi.org/10.1038/s41562-018-0484-3 [5] Kober, S. E. & Wood, G. (2020). Möglichkeiten und Grenzen von Neurofeedback. Lernen und Lernstörungen.

[6] Kober, S. E., Schweiger, D., Witte, M., Reichert, J. L., Grieshofer, P., Neuper, C. & Wood, G. (2015). Specific effects of EEG based neurofeedback training on memory functions in post-stroke victims. Journal of NeuroEngineering and Rehabilitation, 12(1), 107. https://doi.org/10.1186/s12984-015-0105-6

[7] Kraft, U. (2006). Train your brain. Scientific American Mind, 17(1), 58-63.

[8] Magland, J. F. & Childress, A. R. (2014). Task-correlated facial and head movements in classifier-based real-time FMRI. Journal of neuroimaging, 24(4), 371–378. https://doi.org/10.1111/jon.12015

[9] Neurofeedback Therapie erklärt. (2020, o. D.). https://praxis-heiler.de/neurofeedback/

[10] Palm, B. & Wiedemann, M. (2009). Neurofeedback in der Ergotherapie-Praxis. Praxis Ergotherapie, 6, 320-324. [11] Rauchmann, B. S. (2019). Die Auswirkung des quellenlokalisierten phasenkodierten EEG-Neurofeedbacks auf die Hirnaktivität (Dissertation). Ludwig-Maximilians-Universität München

[12] Sturm, W., Fimm, B., Cantagallo, A., Cremel, N., North, P., North, P., Passadori, A., Pizzamiglio, L., Pizzamiglio, L., Rousseaux, M., Zimmermann, P., Deloche, G. & Leclercq, M. (2003). Specific Computerized Attention Training in Stroke and Traumatic Brain-Injured Patients. Zeitschrift für Neuropsychologie, 14(4), 283-292. https://doi.org/10.1024/1016-264X.14.4.283

[13] Thibault, R. T., Lifshitz, M. & Raz, A. (2017). Neurofeedback or neuroplacebo? Brain: a journal of neurology, 140(4), 862-864 [14] Weichenmeier, L. A. (2017) Impulsives Kaufverhalten und Neurofeedback: Eine theoretische und empirische Untersuchung hinsichtlich der Effektivität der Methode des Neurofeedbacks (nirHEG) zur Reduzierung impulsiven Kaufverhaltens. (Dissertation). Johannes Gutenberg-Universität Mainz. [15] Wood, G. & Kober, S. E. (2018). EEG Neurofeedback is under strong control of psychosocial factors. Applied Psychophysiology and Biofeedback, 1-8.

[16] Young, K. D., Siegle, G. J., Zotev, V., Phillips, R., Misaki, M., Yuan, H., Drevets, W. C., & Bodurka, J. (2017). Randomized Clinical Trial of Real-Time fMRI Amygdala Neurofeedback for Major Depressive Disorder: Effects on Symptoms and Autobiographical Memory Recall. The American journal of psychiatry, 174(8), 748–755. https://doi.org/10.1176/appi.ajp.2017.16060637