Beziehungsstatus = Single = Nachteile in Gruppentherapieprogrammen ?! Überprüfung anhand eines Sozialen Kompetenztrainings

Das Singledasein hat angeblich viele Vorteile – kein finanzieller Ruin am Valentinstag, eine Menge Freizeit und vieles mehr. Aber es gibt auch Hinweise auf Nachteile in Bezug auf bestimmte Psychotherapieprogramme. Heutzutage existieren neben der klassischen Einzeltherapie auch diverse Gruppentherapieprogramme, beispielsweise für Patient:innen mit einer Sozialen Angststörung. Eine Soziale Angststörung zeichnet sich vor allem durch eine ausgeprägte Angst vor verschiedenen sozialen Situationen und davor, von anderen negativ bewertet zu werden, aus [1]. Delsignore et al. [2] haben Hinweise darauf gefunden, dass bei der Behandlung dieser psychischen Störung durch Gruppeninterventionen alleinstehende Personen weniger als solche profitieren, die sich in einer festen Beziehung befinden. So zeigte sich in ihrer Studie bei Nicht-Singles eine stärkere Verbesserung der Lebenszufriedenheit als bei Singles. Da die Soziale Angststörung mit einer Lebenszeitprävalenz von über 13% eine der am häufigsten auftretenden psychischen Störungen ist, wollen wir diesen Unterschied näher untersuchen [1]. Hierdurch ist es möglich, Programme individuell auch auf verschiedene Subgruppen von Patient:innen, wie Singles und Nicht-Singles, abzustimmen, um den größtmöglichen Therapieerfolg zu erzielen.

In der Studie von Delsignore et al. [2] nahmen Patient:innen mit einer Sozialen Angststörung an einer kognitiv-behavioralen Gruppentherapie teil. Wir wollen nun diese Studie anhand des Sozialen Kompetenztrainings (SKT) von Alsleben und Hand [1] replizieren, das unter anderem Angstmanagementstrategien und Rollenspiele beinhaltet. In unserer Studie wird das SKT als Gruppenintervention in einem ambulanten Setting über neun Wochen mit wöchentlichen Sitzungen durchgeführt. Es enthält verschiedene Bausteine, zu denen unter anderem allgemeine und spezifische Fertigkeiten der Kommunikation, wie Gesprächsführung oder Kontaktaufnahme, aber auch Forderungen stellen und Wünsche äußern gehören. Weiterhin sollen die Kritik- und Konfliktfähigkeit gestärkt und Grundlagen sowie Kompetenzen zur Bewältigung sozialer Ängste vermittelt werden.

Für die Untersuchung werden vier Gruppen gebildet. Diese bestehen einerseits aus alleinstehenden Personen, die randomisiert entweder der Gruppe, die eine Behandlung erhält (Experimentalgruppe; EG) oder der Gruppe, der zunächst keine Intervention zuteilwird (Kontrollgruppe; KG), zugeordnet werden. Das gleiche Vorgehen wird bei Patient:innen, die in einer festen Partnerschaft leben, angewandt. Beide KGs werden darüber informiert, dass sie sich auf der Warteliste für das SKT befinden und die Behandlung nach Studienende erhalten. Dies ermöglicht es, Erwartungseffekte und den naturalistischen Störungsverlauf zu erfassen, da beispielsweise bei Personen in einer festen Partnerschaft auch ohne Behandlung ein positiverer Verlauf der Sozialen Angststörung denkbar ist als bei Singles.

Bei der Rekrutierung der Versuchspersonen werden außerdem diverse Kontraindikationen abgefragt, wozu beispielsweise primär stark ausgeprägte Depressionen, pathologisches Glücksspiel oder Essstörungen gehören und Personen auf deren Basis ausgeschlossen [1]. Hierbei soll der SCL-90 von Hessel et al. [3] genutzt werden, um komorbide psychische Störungen zu erfassen und zudem wird das im Manual empfohlene Indikationsgespräch von etwa 100min mit jeder Versuchsperson geführt. Es werden weiterhin keine Patient:innen, die Psychopharmaka einnehmen, in die Studie aufgenommen. Zur anschließenden statistischen Auswertung ist es wünschenswert, in allen vier Gruppen etwa gleich viele Versuchspersonen zu haben.

Insgesamt gibt es vier Messzeitpunkte. Eine Prä-Messung wird vor dem Training vorgenommen, nach dessen Beendigung folgt die Post-Messung. Zudem werden nach 6 Monaten und 12 Monaten Follow-up-Messungen erhoben, um die Stabilität der Effekte des SKTs und auch des möglichen Unterschieds zwischen Singles und Nicht-Singles zu untersuchen.

Gemessen werden neben soziodemografischen Variablen wie Geschlecht und Alter vor allem drei abhängige Variablen: zum einen die Ausprägung der Sozialen Angststörung, welche über den Fragebogen SASKO von Kolbeck & Maß [4] erfasst wird. Hierbei interessiert uns außerdem die Subskala “Einsamkeit” als Ansatzpunkt für mögliche Mediationsanalysen. Für unsere Studie muss die Instruktion des SASKO angepasst werden, die Patient:innen sollen sich bei ihren Angaben auf den Zeitraum des letzten Monats beziehen, um auch Veränderungen zwischen der Prä- und Post-Messung zuverlässig erfassen zu können.

Zum anderen erheben wir die Lebenszufriedenheit, gemessen mit der Satisfaction with Life Scale von Diener et al. [5] und die Anzahl an Blickkontakten in einem alltäglichen Gespräch. Die Anzahl der Blickkontakte bildet hierbei ein innovatives Maß, welches als objektivere Ergänzung zu den beiden Selbstberichtmaßen dient. Hierfür wird eine standardisierte Situation kreiert, bei der die Patient:innen alleine 5 Minuten in einem Vorraum auf ihre Testung warten. Ein:e Mitarbeiter:in der Versuchsleiter:innen betritt das Zimmer und beginnt ein Gespräch mit den Patient:innen. Das Gespräch wird aufgezeichnet und anschließend die Anzahl von Blickkontakten während des Gesprächs ausgewertet. Dabei besteht die Annahme, dass eine geringere Anzahl an Blickkontakten mit einer höheren Ausprägung der Symptomatik zusammenhängt. Diese Annahme gilt es empirisch zu überprüfen. Dafür könnte beispielsweise eine zusätzliche Pilot-Studie durchgeführt werden oder innerhalb dieser Studie direkt untersucht werden, ob das Blickkontaktmaß erwartungsgemäß mit weiteren Instrumenten zur Erfassung der Sozialen Angststörung korreliert. Aufgrund des mit der Blickkontakterhebung verbundenen Aufwands und zur besseren Realisierbarkeit der Durchführung wird diese Variable nur zu Beginn und Ende des Trainings erhoben. Die Patient:innen werden im Anschluss über die Täuschung aufgeklärt und haben jederzeit die Möglichkeit, der Verwendung ihrer Daten zu widersprechen.

Ziel dieser Studie ist es, wie anfangs bereits erwähnt, zu prüfen, ob ein Unterschied in der Wirksamkeit eines SKTs im Gruppensetting zwischen Singles und Nicht-Singles existiert. Unserer Meinung nach ist ein solcher Unterschied durchaus denkbar, da Nicht-Singles nicht nur von der sozialen Unterstützung ihrer Partner:innen profitieren, sondern auch direkt Übungspartner:innen haben, mit denen sie das im Interventionsprogramm Gelernte ausprobieren und vertiefen können. So besteht gegebenenfalls ein differenzierter Therapiebedarf, den es weiter zu untersuchen gilt. Eine Anregung für anknüpfende Forschung ist unter anderem ein anschließendes Interview. Dabei kann z.B. erfragt werden, wie hilfreich die Versuchspersonen einzelne Interventionsbausteine fanden und ob sie Partner:innen als Vor- oder Nachteil hierbei sehen. Am Ende können sie zudem alle Ideen und Gedanken, die sie eventuell noch zu dem SKT haben, äußern. Dadurch kann explorativ und qualitativ untersucht werden, welche Bausteine des SKTs für den unterschiedlichen Therapieerfolg von alleinstehenden Patient:innen und solchen in einer Beziehung verantwortlich sind und wie diese modifiziert werden können, um auch Singles den größtmöglichen Therapierfolg zu bieten.

 

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[1]       Alsleben, H., & Hand, I. (2013). Soziales Kompetenztraining. Springer Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-1080-5

[2]       Delsignore, A., Weidt, S., Emmerich, J., & Rufer, M. (2012). Life satisfaction in patients with social anxiety disorder: Impact of cognitive-behavioral group therapy. Mind and Brain, The Journal of Psychiatry 3(2), 9-14.https://doi.org/10.5167/uzh-55300

[3]       Hessel, A., Schumacher, J., Geyer, M., & Brähler, E. (2001). Symptom-Checkliste SCL-90-R. Diagnostica47(1), 27–39. https://doi.org/10.1026//0012-1924.47.1.27

[4]       Kolbeck, S., & Maß, R. (2009). SASKO – Fragebogen zu sozialer Angst und sozialen Kompetenzdefiziten. Testmanual und Materialien. Göttingen, Germany: Hogrefe.

[5]       Diener, E., Emmons, R. A., Larsen, R. J., & Griffin, S. (1985). The Satisfaction With Life Scale. Journal of Personality Assessment49(1), 71–75. https://doi.org/10.1207/s15327752jpa4901_13