Fremdbestimmt durch Parasiteninfektion? Warum es nicht Bill Gates ist, der uns Sorgen machen sollte

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Dieser Beitrag befasst sich mit einem Phänomen, von dem die meisten von uns vermutlich noch nie etwas gehört haben. Es sei denn, du warst schon einmal schwanger. Dann sagt dir der Begriff Toxoplasmose wahrscheinlich bereits etwas. Bestimmt kannst du dich noch an die besorgte Frage deines Frauenarztes / deiner Frauenärztin erinnern: „Haben Sie Katzen? Wenn ja, sollten wir unbedingt einen Antikörper-Test auf Toxoplasmose machen!“. Aber was ist das eigentlich genau, diese Toxoplasmose?

Toxoplasmose ist eine Infektionskrankheit, die über den Erreger Toxoplasma gondii (kurz T.gondii) übertragen wird. Bei diesem Erreger handelt es sich um einen parasitären Einzeller, der bevorzugt Nervenzellen befällt. T.gondii kann sich ausschließlich im Darm seines Endwirtes, der Katze, sexuell fortpflanzen. Eine infizierte Katze scheidet dann mit ihrem Kot eine große Menge Oozysten (ein frühes Entwicklungsstadium des Einzellers) aus. Die Erde, in der Katzen ihren Kot bekanntermaßen verscharren, wird so mit T.gondii kontaminiert. Dies stellt insofern ein Problem dar, da Pflanzen bekanntlich in und auf der Erde herangezogen werden und somit ebenfalls mit den Sporen des Parasiten verunreinigt werden können.

Übertragungswege von T.gondii

Der Verzehr von beispielsweise ungewaschenen Karotten kann damit zur direkten Übertragung von T.gondii auf den Menschen führen. Der Parasit nutzt aber nicht nur den Menschen als Zwischenwirt, sondern nahezu alle Säugetiere. So können zum Beispiel Schweine den Erreger entweder durch Nahrung oder ungefiltertes Wasser zu sich nehmen. Das Muskelgewebe der Tiere wird vom Parasiten befallen und der Verzehr von rohem oder nicht ausreichend behandeltem Fleisch kann so zu einer Übertragung auf den Menschen führen. In diesem Fall infiziert sich der Mensch also indirekt mit Toxoplasmose.

Besonders in der Schwangerschaft ist eine Erstinfektion folgenreich, da sie schwerwiegende negative Konsequenzen, wie eine Fehlgeburt oder Missbildungen beim Fötus, mit sich bringen kann, von daher ist diese unbedingt zu vermeiden.

Eine Studie von Cook und Kolleg:innen (2014) hat derweil herausgefunden, dass eine T.gondii-Infektion nicht nur für Schwangere weitreichende Folgen haben kann. Hierbei steht nicht die akute, sondern die latente Infektion mit dem Erreger im Fokus, die in Verbindung mit Persönlichkeitsveränderungen im Bereich der Aggression und Impulsivität stehen soll.

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Dazu müssen wir erst einmal wissen, worin der Unterschied zwischen den beiden Infektionsstadien besteht: Wir erinnern uns, dass Katzen über ihren Kot Oozysten ausscheiden. Gelangen diese in den Darm eines Menschen, entwickeln sie sich und vermehren sich rasant asexuell - es kommt zur akuten Infektion. Nach etwa einer Woche hat das körpereigene Immunsystem den Erreger so weit zurückgedrängt, dass dieser seinen Stoffwechsel verlangsamt und in seine Ruheform übergeht. Man spricht jetzt von Bradyzoiten, die sich nur sehr langsam teilen und in Zysten vorwiegend im Gehirn, der Retina und der Skelett- und Herzmuskulatur weiterleben. Hat man sich also einmal infiziert, nistet sich der Parasit dauerhaft im Körper ein. Diese latente (ruhende) Infektion bleibt ein Leben lang bestehen und kann mit speziellen Antikörper-Tests nachgewiesen werden. Eine „Immunität“ besteht hierbei allerdings nur für Personen mit einem intakten Immunsystem, da der Erreger ansonsten wieder aktiv wird und zu einer schweren Erkrankung führen kann. (Quelle: Robert-Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 42/2018: RKI-Ratgeber Toxoplasmose, 18. Oktober 2018)

Der Parasit in meinem Gehirn

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Wie kamen Cook und seine Kolleg:innen nun auf die Idee, T.gondii in Verbindung mit Aggressivität und Impulsivität zu bringen? Einer der Ausgangspunkte dafür war, dass frühere Studien bereits Zusammenhänge zwischen erhöhten Entzündungswerten im Blut und aggressiven Verhaltensweisen fanden. (Bhatt et al., 2008)

Zu Recht wirst du dich immer noch fragen, was das mit Toxoplasmose zu tun hat - die Antwort darauf könnte die latente Infektion beim Menschen geben. Der Erreger verbleibt nämlich nur in seinem Ruhezustand, solange ihn das Immunsystem in Schach hält! Das bedeutet für den Infizierten, dass seine Entzündungswerte (die den Grad der Immunaktivität darstellen) permanent erhöht sind. Nur durch einen Zufallsbefund kamen die Forscher:innen aufgrund der permanenten Immunaktivität auf den Parasiten T. gondii als Einflussnehmer auf unsere Verhaltensweisen. Schließlich ist er nicht der einzige Erreger, der in unseren Nervenzellen schlummert! Jeder, der schon einmal Herpes hatte, weiß, dass auch dieser Virus immer wieder aktiv wird, sobald das Immunsystem geschwächt ist. Da Herpesviren in der Vergangenheit bereits in Zusammenhang mit psychischen Störungen, wie z. B. Schizophrenie gebracht wurden (Prasad et al., 2012), nehmen Cook und seine Kolleg:innen auch den Einfluss von speziellen Herpes-Viren, konkret Herpes-simplex-virus-1 (HSV-1) und den Cytomegalievirus (CMV), unter die Lupe.

Mittlerweile gibt es einige Forschungsergebnisse, die einen Einfluss des Parasiten auf Persönlichkeitseigenschaften (Fekadu et al., 2010), psychische Erkrankungen und sogar neurologische Defizite zeigen (Havlicek, 2001). So wird T. gondii mit suizidalem selbstverletzendem Verhalten in Zusammenhang gebracht und steht auch in Verbindung mit psychischen Störungen, für die oben genannte Verhaltensweisen zum Störungsbild gehören, wie z. B. Schizophrenie, Bipolare Störung und Persönlichkeitsstörungen. (Pearce et al., 2012, Torrey et al., 2012) Fekadu und Kolleg:innen (2010) sehen die Toxoplasmose-Infektion gar als eine Ursache für Verhaltensstörungen an. In Bezug auf die Impulsivität und eine erhöhte Neigung Risiken einzugehen und sich in potentiell gefährliche Situationen zu begeben, zeigen frühere Studien, dass z. B. das Risiko für Verkehrsunfälle bei Infizierten erhöht ist. (Flegr et al., 2012, Kocazeybek et al., 2009)

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Wie wurde der Einfluss von T. gondii auf Aggression und Impulsivität gemessen?

Cook und seine Kolleg:innen stellten zunächst die Hypothese auf, dass eine latente Infektion mit T. gondii erhöhte Aggressionstendenzen und impulsives Verhalten vorhersagt. Sie vermuteten weiter, dass die Effekte sowohl alters- als auch geschlechtsspezifisch sind. Hierzu untersuchten sie 949 gesunde Personen, die weder unter psychischen Störungen litten, noch Suizidversuche in ihrem bisherigen Leben unternommen hatten. Anhand von Blutproben wurden die Proband:innen zunächst auf Antikörper gegen T. gondii, HSV-1 und CMV untersucht. Ihre Tendenz zu aggressivem Verhalten schätzten die Teilnehmer:innen dann mit dem Fragebogen zur Erfassung von Aggressivitätsfaktoren (FAF) selbst ein. Die Impulsivität wurde mit der Subskala “Enthemmung” (DIS) der SSS-V - Sensation-Seeking-Scale-V gemessen, welche die Tendenz zur sozialen und sexuellen Enthemmung erfasst.

Mögliche Zusammenhänge zwischen dem Antikörper-Status und den erfassten Persönlichkeitseigenschaften wurden mit geeigneten statistischen Methoden überprüft. Mithilfe von Varianzanalysen wurden die Werte des FAF und des SSS-V-DIS auf Unterschiede zwischen T.-gondii-positiven und negativen Personen untersucht. Um mögliche Interaktionen zwischen dem Antikörper-Status der drei getesteten Erreger mit Alter, Geschlecht und Bildungsstand zu ermitteln, wurden Regressionsmodelle berechnet. Gleiches gilt für die Zusammenhänge mit dem Aggressionspotenzial und der Impulsivität mit den oben genannten Variablen. Parallelanalysen mit den beiden anderen Erregern sollten die gefundenen Effekte als T. gondii-spezifisch absichern.

Was fanden Cook et al. (2014) nun heraus?

Die Hälfte der untersuchten Proband:innen (50,1%) wurden positiv auf den T.gondii-Erreger getestet, wobei besonders häufig Personen über 60 Jahren oder Personen mit einem geringeren Bildungsniveau infiziert waren. Es ergab sich eine signifikante Korrelation zwischen einer latenten Infektion mit T.gondii und verschiedenen Aggressivitäts- sowie Impulsivitätsmaßen. Dabei waren die gefundenen Zusammenhänge sowohl alters- als auch geschlechtsspezifisch. Es wurde eine Beziehung zwischen latenter Toxoplasmose bei Frauen und erhöhten reaktiven Aggressionswerten beobachtet, jedoch konnten diese Effekte nicht bei Männern beobachtet werden. Bei Männern unter 60 Jahren wurde jedoch eine Assoziation zwischen der Tendenz zur sozialen und sexuellen Enthemmung und latenter Toxoplasmose berichtet.

Wie lässt sich das erklären?

Dazu ein Blick in die Tierwelt

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Cook und Kolleg:innen (2014) sehen eine mögliche Erklärung in der Tierwelt. Beispielsweise verlieren Nager wie Mäuse mit latenter T.gondii-Infektion ihre Angst vor dem Geruch einer Katze. Man stelle sich nun eine Maus vor, die ihr natürliches Flucht- und Schutzverhalten in Gegenwart einer Katze verliert. Die Folgen dessen sind natürlich absehbar: Die Katze hat keine große Mühe mehr, die Maus zu erbeuten. Auf diese Weise wird es dem T.gondii- Erreger erleichtert, von seinem Zwischenwirt – in diesem Fall der Maus – in seinen Endwirt, der Katze, zu gelangen, um sich dort weiter zu vermehren.

Weiterhin führen Cook et al. (2014) aus, dass neben diesen Verhaltensänderungen bei T.gondii-infizierten Nagern auch neuronale  Veränderungen stattfinden. Im Gehirn bilden sich Zysten im Bereich der Amygdala und des präfrontalen Kortex. Beide Bereiche sind unter anderem sowohl für die Angstinduktion als auch die -modulation zuständig. Die latente Infektion führt außerdem dazu, dass sich die Dendriten in bestimmten Bereichen der Amygdala zusammenziehen und schrumpfen. Dieser Prozess könnte verantwortlich dafür sein, dass Nager ihre angeborene Angst gegenüber ihren Fressfeinden verlieren.

Ein Blick auf die Neurotransmitter 

Einen weiteren Erklärungsansatz sehen Cook und Kolleg:innen (2014) auf Ebene der Neurotransmitter. Es wird angenommen, dass T.gondii deren Wirkungsweise im Gehirn verändert und sich diese Veränderungen in erhöhter Aggressivität und Impulsivität niederschlagen. Wie genau diese Prozesse jedoch aussehen, ist noch ungeklärt.

Viel untersucht wird hierbei Dopamin. Forschungsergebnisse stützen die Vermutung, dass mit T.gondii infizierte Zellen mehr Dopamin freisetzen, beziehungsweise den Dopamin-Umsatz im Gehirn erhöhen (Prandovszky et al., 2011).  Der wohl wichtigste Neurotransmitter im Zusammenhang mit Aggressivität und Impulsivität ist die Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Der T.gondii-Erreger kann das menschliche Gehirn so manipulieren, dass körpereigene Zellen des Immunsystems vor allem GABA herstellen, was in einer Angstreduktion resultiert (Fuks et al., 2012).

 

 

Infokasten: Neuronale Grundlagen der Reaktionshemmung

So weit, so gut - aber wie spielt sich Impulskontrolle in unserem Gehirn eigentlich ab?

Über die Geschichte hinweg gab es sehr unterschiedliche Ideen dazu, wie und wo sich der Prozess der (fehlenden) Selbstkontrolle neuronal einordnen lässt. Relevant waren diese Fragen beispielsweise für ein besseres Verständnis von Phänomenen wie ADHS oder Abhängigkeit, bei denen Impulsivität eine große Rolle spielt. Auf der Basis vielfältiger Studien lassen sich heute einige Mechanismen und Netzwerke identifizieren, die bei der sogenannten “Reaktionshemmung”, also der Unterdrückung impulsiver Reaktionen mit im Spiel sind. Forschende nutzen die Aktivierung dieser bei inhibitorischen Prozessen involvierten Bereiche als Maß dafür, ob eben diese Bereiche bei überdurchschnittlich ausgeprägter Impulsivität eines Menschen beeinträchtigt sein könnten. Sie werden bei diesen Personen weniger stark aktiviert oder sogar gehemmt und können so nicht zur Verhinderung und Kontrolle von Reaktionen oder auch potenziell schädlichem Verhalten beitragen (z.B. Selbst- oder Fremdaggression, risikoreiches Verhalten wie Fallschirmspringen oder Drogenkonsum).

 

Welche Botenstoffe regulieren unser Verhalten?

 

Für die Übertragung von Informationen zwischen den Nerven im Gehirn sind Botenstoffe (Neurotransmitter) verantwortlich, deren Ausschüttung verschiedene Effekte haben kann. Bei der Reaktionshemmung sind vor allem drei von ihnen relevant: Dopamin, Noradrenalin und Serotonin. Durch die Gabe bestimmter Medikamente kann die vorhandene Menge der Transmitter beeinflusst werden und ihr Zusammenhang zum Verhalten lässt sich untersuchen (genutzt wurden z.B. Methylphenidat [Ritalin], Amphetamine oder Atomoxetin). Laut der Forschung ist für das Stoppen einer bereits begonnenen Reaktion etwa noradrenerge Modulation im vorderen Teil des Gehirns (präfrontaler Kortex) wichtig, Dopamin scheint die motorische Bereitschaft (auf dem Level des Striatum) zu moderieren und Noradrenalin und Dopamin beeinflussen Fehlermonitoring und Anpassung. Serotonin ist bei affektiver Hemmung und Warteprozessen relevant.

 
 
Welche wichtigen Gehirnbereiche arbeiten zusammen?
 
 
Das Netzwerk, das bei Hemmungsprozessen aktiv wird, kann man sich hierarchisch vorstellen - es wird vom präfrontalen Kortex (PFC) angeführt und von niedrigeren Regionen unterstützt. Je besser die beteiligten Bereiche funktional vernetzt sind, desto besser klappen exekutive Kontrollprozesse. Es ergibt sich daraus ein komplexer Schaltkreis, in dem mehrere Prozesse (Reizentdeckung, Aufmerksamkeit [Aufrechterhaltung/Shifting], Fehlermonitoring etc.) gleichzeitig ablaufen. Um zu identifizieren, welche Areale aktiv sind, nutzen Forschende oft (funktionelle) Magnetresonanztomographie.
 
Laut Studienlage für die Reaktionshemmung relevante Areale: 
 
    • prä- und supplementär-motorische Rinde (SMA), prämotorischer Kortex, parietaler Kortex, ventrolateraler und dorsolateraler PFC und Insula
    • rechter (manchmal beide) inferiorer Frontalkortex (IFC) und Insula, orbitofrontaler Kortex, anteriorer cingulärer Kortex
    • Thalamus (speziell STN), Basalganglien

Die Interaktion zwischen dem IFC und prä-SMA-Areal (plus anderen tieferliegenden und Hirnstamm-Bereichen) erlaubt zum Beispiel eine erfolgreiche Hemmung motorischer Reaktionen, während die genaue Rolle spezifischer Areale bei der Reaktionshemmung oft noch unklar bleibt. Generell lassen sich eine reaktive (generelles Stoppen aller Reaktionen, hyperdirect pathway) und proaktive Hemmung (selektiver, über die Involvierung des Striatum via dopaminerger Modulation) unterscheiden, die neuronal anders moduliert werden.

 
 
Kontroversen und widersprüchliche Ergebnisse - Wenn wir es nicht so genau wissen:
 
 
Beispiel inferiorer frontaler Gyrus (IFG) Es wird diskutiert, ob der rechte IFG der zentrale Ort der Kontrolle bei Reaktionshemmung sein könnte. Dafür gibt es Hinweise, aber auch Widersprüche: z.B. scheint der linke Teil auch wichtig zu sein oder Studien fanden einen beschädigten rechten IFG und dennoch intakte Kontrollfunktionen. Eine Theorie ist nun, dass es zwei differenzierbare Aktivierungsmuster im IFG gibt, also zwei Bereiche, die unterschiedliche Aufgaben haben, da hier über Verbindungen zu anderen Gehirnbereichen die Integration von Aufmerksamkeits- und Reaktionshemmungs-Kontrolle stattfindet. Das könnte zu den verwirrenden Ergebnissen führen.
 
 
 
Kurz gesagt:
 
 
Ein komplexes Netzwerk sorgt im Gehirn dafür, dass wir uns kontrollieren können. Beteiligt sind daran zahlreiche (sub-)kortikale Areale und chemische Botenstoffe, die parallel verschiedene Prozesse regeln. Es ist jedoch oft noch weitere Forschung nötig, um die exakten Zusammenhänge zu verstehen.
 

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Ein Blick auf Geschlechts- und Altersunterschiede

Passend zu diesen Ergebnissen zeigten auch Tierexperimente geschlechtsspezifische Effekte hinsichtlich der transmittervermittelten Signalübertragung. Bei akut infizierten männlichen Ratten kam es nämlich sowohl zu einer Dopaminfreisetzung, als auch zu einem Anstieg der noradrenergen Aktivität, während bei weiblichen Ratten ein Abfall dessen zu beobachten war (Gatkowska et al., 2013).

Wenn wir uns an die Ergebnisse zurückerinnern, wissen wir, dass eine Beziehung zwischen latenter Toxoplasmose bei Frauen im Alter zwischen 20 und 59 Jahren und erhöhten reaktiven Aggressionstendenzen beobachtet wurde. Einen weiteren Erklärungsansatz für diese alters- und geschlechtsspezifischen Ergebnisse sehen die Autor:innen in dem Zusammenhang zwischen einer T.gondii-Infektion und dem veränderten Steroidhormonspiegel der Gonaden.  Die Gonaden  sind bei der Frau die Eierstöcke, welche für die Entwicklung der Geschlechtszellen zuständig sind. Die Post-hoc-Analysen der Studie geben nun noch weiteren Aufschluss darüber, dass sich die angegebene Selbstaggression bei infizierten Frauen um die 50 Jahre erhöht, also im typischen Alter der weiblichen Wechseljahre

Wie bewerten die Forscher:innen die Qualität ihrer Studie?

Die Autor:innen räumen selbst einige Schwächen ihrer Studie ein.

Die Hauptkritik besteht darin, dass es sich um eine querschnittliche, also eine einmalig zu einem bestimmten Zeitpunkt durchgeführte, Studie handelt. Die zugrundeliegenden Mechanismen, wie eine Infektion mit T-gondii mit Impulsivität, Aggression und Suizidalität zusammenhängt, können durch dieses Design nicht erfasst werden. Somit können auch keine Vorhersagen getroffen werden, ob eine Infektion beispielsweise wirklich das Suizidrisiko erhöht. Die Autor:innen schlagen deswegen vor, dass zukünftig prospektive Studien durchgeführt werden sollten, um tiefergehende Erkenntnisse über die Stärke und Richtung des Zusammenhangs zu erlangen.

Dass durch diese Studie nicht die Richtung der kausalen Zusammenhänge erforscht werden kann, liegt zudem im korrelativen Design begründet. Hierfür hätte eine Längsschnittstudie durchgeführt werden müssen, die Personen über einen längeren Zeitraum beobachtet. Da dies aber nicht der Fall ist, kann es genauso gut sein, dass nicht die Infektion mit T.gondii zu erhöhter Impulsivität und Aggressivität führt, sondern dass das Gegenteil der Fall ist. Personen, die mehr aggressives und impulsives Verhalten zeigen, könnten sich vermehrt in Situationen begeben, die eine Infektion mit dem Parasiten wahrscheinlicher machen.

Ein weiteres Problem des querschnittlichen Designs liegt darin, dass sie anfällig gegenüber Kohorteneffekten ist. Das heißt, dass die beobachteten altersspezifischen Aggressivitäts- und Impulsivitätseffekte möglicherweise gar nicht auf das Alter an sich zurückzuführen sind, sondern auf diejenigen Umweltkonstellationen, in denen eine Generation aufgewachsen ist.

Sie merken auch an, dass sie sowohl Impulsivität, wie auch Aggressivität, nicht objektiv gemessen haben, sondern sich auf subjektive Äußerungen der Proband:innen stützen.

Die wohl größte Stärke der Studie besteht darin, dass ausschließlich Proband:innen untersucht wurden, die keine psychiatrische Vorgeschichte aufweisen. So kann sichergestellt werden, dass Impulsivität und Aggressivität keine Begleiterscheinungen einer vorliegenden psychischen Störung sind, sondern in Verbindung mit T.gondii auftreten. Gleichzeitig stellt dies wiederum auch eine Schwäche der Studie dar, weil die Ergebnisse der Studie eben nur auf diejenige Population anwendbar ist, die auch untersucht wurde - das sind eben in diesem Fall ausschließlich psychisch gesunde Menschen.

Wie bewerten wir die Qualität der Studie?

Hinsichtlich der Stichprobe merken wir positiv an, dass die Teilnehmenden unter festgelegten Kriterien ausgewählt wurden und ausgewogene Gruppengrößen zustande kamen, was die Aussagekraft eines Gruppenvergleiches erhöhen kann. Für die einzelnen Gruppen werden im Text allerdings keine Mittelwerte angegeben, sodass die genaue Zusammensetzung und Altersverteilung innerhalb der Gruppen unklar bleibt. Präzisere Gruppeninformationen (insbesondere zur Varianz) wären daher wünschenswert gewesen. Für das Alter wurden allerdings im Anschluss die Ergebnisse kontrolliert bzw. angepasst.

Bedenkt man die Anzahl der in der Studie durchgeführten Berechnungen, wenn auch zum Teil multivariat, kann ein Auffinden von Zufallszusammenhängen nicht sicher ausgeschlossen werden. Darauf hätte man mit einer Anpassung des Alpha-Niveaus nach unten reagieren können.

In Bezug auf die Auswahl der Fragebögen ist uns eine weitere Schwäche in der Kommunikation der Autor:innen aufgefallen. Es bleibt offen, ob die Autor:innen die überarbeitete Version der SSS-V von 1994 genutzt haben oder eine inzwischen veraltete Version von 1979, die zum heutigen Zeitpunkt weder reliabel noch valide das Sensation Seeking erfasst (M Gray und Wilson, 2007, Zuckerman, 2007). 

Auch beim FAF bleibt die Frage offen, warum ein Fragebogen von 1975 genutzt wurde und keine aktuellere und neu normierte Skala. Eine Alternative wäre der Deutsche Aggressionsfragebogen (Werner & von Collani, 2004) gewesen, der auf demselben Konstrukt basiert, aber bei nahezu identischer interner Konsistenz (Cronbach´s Alpha: .61 - .79 [FAF] vs. .62 - .82 [Deut. Aggr. FB]) nur 29 statt 76 Items beinhaltet, wobei die interne Konsistenz einzelner Subskalen beider Fragebögen als fragwürdig angesehen werden kann.

 

Positiv hervorzuheben ist der Vergleich mehrerer latenter Infektionskrankheiten, um sicherzustellen, ob ein Effekt wirklich auf T. gondii zurückzuführen ist. Leider wurden keinerlei Effektstärken berichtet, wodurch schwer nachzuvollziehen ist, in welchem Ausmaß die Unterschiede zwischen den Personen tatsächlich durch T. gondii erklärt werden können.

Unser Fazit

Wie fast jede Studie ist auch diese nicht frei von Ungereimtheiten. Im Gegensatz zu den verschwörerischen Theorien rund um Bill Gates und angebliche Mikrochips zur Gedanken- und Verhaltenskontrolle in Impfstoffen, schenkt diese Studie einem real existierenden und allgegenwärtigen Thema die unbedingt nötige Aufmerksamkeit. Eine Infektion mit Toxoplasmose bedeutet nicht, dass der Mensch die Kontrolle über sein gesamtes Denken und Handeln verliert - wir sind in diesem Sinne also nicht fremdgesteuert. Trotzdem deuten Studien wie diese darauf hin, dass eine Infektion mit T. gondii neben physischen Konsequenzen auch weitreichende Veränderungen auf der Verhaltensebene bedingen kann. Aufgrund dessen stellen wir uns abschließend die Frage:

 


“Ob sich vielleicht in Zukunft auch andere Verhaltensauffälligkeiten durch solche Infektionen erklären lassen? Ändert das unser Verständnis davon, wie normabweichendes Verhalten entsteht?”


 
 

Interesse geweckt? Hier findest du weitere Beiträge aus der Reihe Gesundheit: Zusammenspiel von Körper und Geist

 

Hauptliteratur

Cook, T. B., Brenner, L. A., Cloninger, C. R., Langenberg, P., Igbide, A., Giegling, I., … Postolache, T. T. (2015). “Latent” infection with Toxoplasma gondii: Association with trait aggression and impulsivity in healthy adults. Journal of Psychiatric Research, 60, 87–94. https://doi.org/10.1016/j.jpsychires.2014.09.019

Weitere verwendete Quellen

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Bhatt, S., Bhatt, R., Zalcman, S. S. & Siegel, A. (2008). Role of IL-1β and 5-HT2 receptors in midbrain periaqueductal gray (PAG) in potentiating defensive rage behavior in cat. Brain, Behavior, and Immunity, 22(2), 224–233. https://doi.org/10.1016/j.bbi.2007.07.011

Fekadu, A., Shibre, T., Cleare, A. J. (2010). Toxoplasmosis as a cause for behaviour disorders - overview of evidence and mechanisms. Folia Parasitologica, 57(2), 105-113. https://doi.org/10.14411/fp.2010.013

Flegr, J., Havlícek, J., Kodym, P., Malý, M. & Smahel, Z. ě. (2002). Increased risk of traffic accidents in subjects with latent toxoplasmosis: a retrospective case-control study. BMC Infectious Diseases, 2(1). https://doi.org/10.1186/1471-2334-2-11

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Havlícek, J., Gasova, Z., Smith, A. P., Zvara, K. & Flegr, J. (2001). Decrease of psychomotor performance in subjects with latent ‘asymptomatic’ toxoplasmosis. Parasitology, 122(5), 515–520. https://doi.org/10.1017/s0031182001007624

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Torrey, E. F., Bartko, J. J. & Yolken, R. H. (2012). Toxoplasma gondii and Other Risk Factors for Schizophrenia: An Update. Schizophrenia Bulletin, 38(3), 642–647. https://doi.org/10.1093/schbul/sbs043

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